Interview mit Antje Lücke und dem 1. Vorsitzenden Arno Gerlach
der Kantorei Barmen-Gemarke
Thema: Die Kantorei und ihre Heimatstätte
Qualität – Lebendigkeit – Wirkung dafür steht die Kantorei Barmen-Gemarke nun schon seit über 70 Jahren. Als einer der herausragenden Chöre unserer Region erfreut sich die Kantorei an internationalen Einladungen. Sie stehen für Projekte, die über das gewöhnliche hinausgehen. Ihre Heimatstätte ist die Immanuelskirche. Diese Verbindung steht für große Treue und viele wundervolle Veranstaltungen.
Die Kantorei Barmen-Gemarke wurde 1946, also nur ein Jahr nach dem Ende des 2. Weltkrieges, gegründet. Was waren die damaligen Beweggründe?
Das Presbyterium der evangelisch-reformierten Gemeinde stellte 1946 den 32-jährigen Kirchenmusiker Helmut Kahlhöfer als Organisten an der Immanuelskirche ein. Befürworter dieses Beschlusses war Willy Halstenbach. Er stellte dem jungen Mann aus Köln auf seinem Grundstück in Wichlinghausen das Gartenhaus zur Verfügung. Die Kinder der Familie waren bald vom Singen mit dem „Neuen“ begeistert; dazu kamen noch Freunde aus dem Kreis der Studenten der Kirchlichen Hochschule, und das „Chörchen“ war geboren. Der bereits in den Barmer Gemeinden bekannte Bach-Chor hatte seinen Leiter Gottfried Grote im Krieg verloren.
Am 21.12.1946 fand das erste Konzert „Weihnachtsmusik“ mit Schriftlesungen und Gemeindegesang n der Immanuelskirche statt. Solistin war Gerda Neuser, die spätere Ehefrau von Helmut Kahlhöfer. Die Kirche war ungeheizt!
1947 nannte sich das Ensemble „Barmer Kantorei“. Auf dem Plakat des Konzertes vom 24.Juni 1948 steht Kantorei Barmen-Gemarke, um damit den kirchlichen Standort zum Ausdruck zu bringen.
Die Kantorei Barmen-Gemarke zählte zu den besten Chören weit über Wuppertal hinaus. Welche Chorleiter haben sie geprägt und was wurde zur Stärke der Kantorei?
Die Kantorei Barmen-Gemarke wurde bis zu seinem Tod im Jahr 1988 von Helmut Kahlhöfer und seinem Stil geprägt. Er setzte Maßstäbe in Chordisziplin, Einsatz des einzelnen Sängers, Textausdruck und Authentizität im musikalischen Stil, der bald – auch über das Medium des Rundfunks – ein Markenzeichen und über Wuppertal hinaus bekannt wurde.
Sein Nachfolger Professor Manfred Schreier aus Stuttgart, 1943 geboren, brachte neue Programme und einen modernen Arbeitsstil mit. Der Chor entwickelte eine selbständige Binnenstruktur, lernte Mahler, Schnebel, Berio und Penderecki kennen.
In seiner über zwanzig Jahre langen Chorleitertätigkeit pflegte Wolfgang Kläsener das klassische Repertoire auf hohem Niveau und erarbeitete mit der Kantorei erfolgreich auch aktuelle, zeitgenössische Werke und Uraufführungen.
In der Konzertsaison 2017-18 bereicherte Volker Hempfling mit neuen Ausdrucksformen und besonderen gestalterischen Akzenten den Klang des Chores.
Nach ihm übernahm Alexander Lüken die künstlerische Leitung der Kantorei Barmen-Gemarke.
Die Kantorei Barmen-Gemarke war von Anfang an fest mit der Immanuelskirche verbunden. Was sind bis heute die Gründe dafür?
Die Kantorei Barmen-Gemarke erkannte früh, dass es für ihr Wirken Wuppertal, mit dem kulturellen Schwerpunkt „Historische Stadthalle“ in Wuppertal-Elberfeld, von Bedeutung war, mit dem eigenen Namen einen Standort zu verbinden. Die Immanuelskirche bot mit ihrer guten Akustik die geeignete Adresse. Wuppertal-Oberbarmen war im Krieg relativ unbeschadet davongekommen; man ahnte nicht, wie sich Wuppertal zum Nachteil dieses Stadtquartiers in den kommenden Jahrzehnten verändern würde. Heute gibt es wieder gemeinsame Aktionen von Stadt, dem Land NRW und engagierten Initiativen, um den Stadtteil zu beleben und aufzuwerten.
Wofür steht die Kantorei Barmen-Gemarke musikalisch? Was sind die besten Gelegenheiten, ein Konzert dieses Chores erleben zu dürfen?
Die von der evangelischen Tradition geprägte Kantorei Barmen-Gemarke ist in ihrer musikalischen Arbeit seit vielen Jahren in einem weiten ökumenischen Verständnis unterwegs. Neben der regelmäßigen Einstudierung und Aufführung von großen klassischen Chorwerken, Motetten und Oratorien gehören auch Präsentationen neuzeitlicher Kompositionen zum Repertoire der engagierten Sängerinnen und Sänger. Kontinuierliche chorische Stimmbildung trägt dazu bei, das Qualitätsprofil für anspruchsvolle Literatur aller musikalischen Epochen zu gewährleisten. Nach ihrem Selbstverständnis möchte die Kantorei durch die Pflege geistlicher Musik aus Geschichte und Gegenwart nicht nur einen wichtigen kulturellen Beitrag leisten, sondern das Singen im Chor auch als dauerhaften Auftrag annehmen, die biblische Botschaft als Brücke der Verständigung und als Friedenselement für alle Menschen zu verstehen.
Der beste Weg, die Kantorei Barmen-Gemarke zu erleben, ist der Besuch ihrer Abonnement-Konzerte und der von ihr gestalteten Kantate-Gottesdienste im Kulturzentrum Immanuel.
Die Chorlandschaft verändert sich rasant. Was nimmt sich die Kantorei Barmen-Gemarke für die nächsten Jahre vor?
Die Ausblicke und Perspektiven für Chorarbeit generell sind in der Gegenwart mit unsicheren Tendenzen verbunden. Umso mehr ist es notwendig und richtig, dass sich leistungsfähige Ensembles festigen und dem Wunsch nach hochwertiger Chormusik nachkommen. Die Kantorei Barmen-Gemarke versteht sich als Kulturbotschafter unserer Stadt, der nicht nur regional, sondern auch international auftritt. Sie hat in der Immanuelskirche ihre traditionelle Wirkungs- und Heimstätte und erfüllt dort eine wichtige Aufgabe für das musikalische Angebot im Wuppertaler Osten.
Die gegenwärtige, positive Entwicklung des Chores zeichnet eine hoffnungsvolle Aussicht, den hohen musikalischen Ansprüchen auch in Zukunft gerecht zu werden.